„Kochen ist mir passiert!“

Ana Roš wurde kürzlich als „beste Köchin der Welt“ ausgezeichnet. Ihr Lebenslauf ist so vielfältig und aufregend wie ihre Gerichte, die vor allem eines sollen: glücklich machen.

  • Restaurant Hiša Franko
  • SI-5222 Kobarid Staro selo 1
  • Tel.: 00386 5 389 41 20 www.hisafranko.com

Quelle: Genuss.Magazin 3/2017; Text: Alexander Lupersböck

Im April 2017 ist Ana Roš wohl die gefragteste Küchenchefin überhaupt, denn gerade wurde sie im australischen Melbourne von „The World‘s 50 Best Restaurants“ zur besten Köchin der Welt ausgezeichnet.

„Die ganze Reise hat genau 58 Stunden gedauert, in denen ich nicht geschlafen habe. Aber ich habe es genossen. Es ist immer wieder eine Freude, andere Spitzenköche zu treffen und hat viel Spaß gemacht. Und immerhin habe ich mir so einen Jetlag erspart …“

Disziplin und Ausdauer hat Roš schon in ihren ersten Metiers bewiesen: Zunächst als Tänzerin, dann war sie kurz davor, als Rennläuferin in den Skiweltcup einzusteigen. Verletzungsbedingt sattelte sie auf Diplomatie um (sie spricht fünf Sprachen) und liebesbedingt auf Köchin. Als sie vor 15 Jahren ihren Partner Valter Kramar kennen lernte, beschloss sie, in seinem Gasthaus zu kochen. „Man kann sagen: Das Kochen ist mir passiert. Anfangs war es eine Abfolge von Niederlagen. Ich musste alles von Grund auf lernen, wollte es aber immer nach meiner Façon machen. Meine Küche ist eigentlich aus Unfällen entstanden.“
Veränderung ist Entwicklung Heute ist Roš eine Vertreterin des betont regionalen Kochstils. Sie arbeitet mit Lebensmitteln aus der direkten Umgebung, dem großen Kräutergarten hinter dem Haus, den Flüssen (die legendären Soča- oder Marmorataforellen werden jetzt selber gezüchtet) und mit dem, was die Bauern von den Bergen bringen. Da findet sich eine Sočaforelle mit Erbsen, Mandeln, Vogelmiere und Erdbeeren am Teller, Waldhimbeeren werden mit Ziegenkäse vermählt und Lamm und Krabbe geben sich mit Topinambur als Krautroulade die Ehre (die übrigens mit den Fingern gegessen werden soll). Wen das an die Zugänge der Nordic Cuisine
erinnert, der täuscht sich nicht. Die Entwicklungen in Kopenhagen, Stockholm und Kobarid verliefen zur ähnlichen Zeit. „Unsere Heimat ist unser Universum. In der Stadt bist du abhängig davon, was du am Markt bekommst, ich kann mir alles selber besorgen.

Die Nordic Cuisine gab der Welt Folgendes: Schau, was rund um dich vorhanden ist. Das tun wir schon seit langer Zeit. Wir gehen in die Wälder, auf die Berge, arbeiten mit dem, was die Bauern bringen, was gerade frisch ist. Aber die Nordic Cuisine setzte den Fokus auf das unbekannte Naheliegende: Verwende nicht nur das, was deine Großeltern und Eltern schon verwendet haben. Ich hingegen versuche laufend, Vorhandenes und Bekanntes wie Pflanzen oder Käse neu zu interpretieren und einzubauen. Dabei werde ich aber keine Ameisen oder Moose verwenden, weil sie bei uns nie gegessen wurden, das wäre nicht ich.“ Wie hat sich ihr Stil also entwickelt? Immerhin begrenzt sich Roš nicht nur auf das unmittelbare Umfeld ihres Restaurants. „Wenn man auf die Berge rundherum steigt, kann man an schönen Tagen bis Triest, Grado, ja, sogar Venedig sehen. Also gehört auch das Meer zu meiner Umgebung.“

Wichtig ist ihr, sich ständig weiter zu entwickeln. Kein Jahr ist wie das andere, daher sind auch die Pflanzen, die Kräuter und die Forellen nicht dieselben wie in den Vorjahren. Darauf geht sie ein. „Die Dinge müssen sich immer verändern, um sich zu entwickeln. Sonst kann man nicht wachsen und reifen. Ich habe kein Signature-Dish, ich finde es schräg, wenn man jahrzehntelang das Gleiche kocht. Ich ändere mich, also muss sich auch meine Küche ändern. Auch ein Maler versucht, immer wieder neue Formen des Malens zu finden, sonst wird es langweilig.“
Glückliche Gäste Wenn man Roš´ Küche kurz beschreiben soll, dann am besten so: intensiv schmeckend, frisch, natürlich, pur und überraschend. Dazu passt die Herzlichkeit und Entspanntheit, mit der ihr Serviceteam mit den Gästen arbeitet. Hier wird gelebt und das Leben gefeiert. Valter Kramar hat zu allen Gerichten perfekt abgestimmte Weine zur Hand, und diese stammen im Sinne der Philosophie des Hauses aus Slowenien oder dem benachbarten Italien. Dazu reift er die Käse, die ihm Bauern von den Bergen bringen, bis zu fünf Jahre im eigenen Reifekeller. Niemand sollte das Hiša Franko verlassen, ohne davon genascht zu haben. Als Kramar am Ende eines herrlichen und gemütlichen Lunchs fragt, was er noch für uns tun könne, lautet die ehrliche Antwort: „Lass uns hier zu Abend essen. Und anschließend frühstücken!“ Wer eines der Zimmer bucht, hat dazu die Chance, und Kramar ist gar nicht verlegen: „Drinnen sind wir am Abend schon ausgebucht, aber wir richten euch gerne draußen einen Tisch her und ihr könnt von vorne beginnen.“

Als ich Roš später diese Episode erzähle, lacht sie: „Ja, am Land sind die Dinge entspannter. Unser Restaurant war ja zu Beginn sehr einfach. Die Eingangstür haben wir bei allen Umbauten original belassen, immerhin betritt man durch sie ja sprichwörtlich unser Heim.“ Und: „Es freut mich, wenn du das Essen als intensiv im Geschmack empfunden hast. Ich möchte, dass man alle Zutaten schmeckt. Ich will nicht, dass mehr auf der Karte steht, als man vom Teller schmecken kann.“ Eine weitere interessante Aussage von ihr lautet: „Ich weiß nicht, ob es eine feminine oder eine maskuline Küche gibt. Für mich ist wichtig, dass man an der Grenze des Möglichen operiert und dass unser Essen glücklich macht. Natürlich gehe ich gerne essen, doch ich fürchte, wenn man es zu oft macht, lässt man sich unbewusst beeinflussen und ändert dadurch seine Ziele und seinen Stil.

Aber Kobarid ist so abgelegen, da kommen wir eh nicht so oft weg.“ Was sind die Zukunftspläne? Roš´ erstes Kochbuch ist gerade in Fertigstellung. „Es ist eigentlich mehr ein Porträt unserer Region, von der Landschaft und mir. Wir haben auch Leute beim Essen und die leeren Teller fotografiert, denn das ist schließlich das Wichtigste: der Genuss, nicht das Vergötzen von Gerichten. Sonst plane ich nicht großartig vor. Das Leben ist eine einzige Abfolge von Wegkreuzungen und Entscheidungen, wir werden sehen, wo es hinführt. Das Wichtigste ist: Wir möchten unsere Gäste glücklich machen!“ Und das gelingt ihr und ihrem Team auf das Allerbeste.

"Die Welt gehört dem, der sie genießt."

- Leopardi
Das könnte Sie auch interessieren

Top-Weine aus Österreich im paarweisen Jahrgangs-Vergleich

Jetzt lesen