„In der Spitzengastronomie sind Disziplin, Durchhaltevermögen und Talent gefragt“
Zürich. Die größte Stadt der Schweiz ist für Feinschmecker ein Eldorado, das fast keine Wünsche unerfüllt lässt. Verantwortlich für diese paradiesischen Zustände sind – zur Überraschung – viele Köche aus Deutschland. So wie der aus Dresden stammende Stefan Jäckel, der in Österreich seine ersten kulinarischen Erfahrungen machte.
Bei einem Glas Champagner redet es sich einfach besser, noch dazu, wenn es sich um die Belle Époque aus dem Hause Perrier-Jouët handelt. Das weiß man auch im Hotel „Storchen“, das zu den ersten Adressen von Zürich zählt. Und so beginnt das Gespräch mit Stefan Jäckel angenehm entspannt. „Meine Mutter war schon in der Gastronomie tätig. Aber das allein hat mich noch nicht dazu gebracht, eine Karriere als Koch anzustreben“, erinnert sich der 38-Jährige, der als Jugendlicher von den ersten populären Fernsehköchen für das Handwerk begeistert wurde. „Ich erinnere mich etwa an Sendungen von Alfred Biolek oder Jamie Oliver, die mir gezeigt haben, welche Möglichkeiten man als Koch hat.“ Doch Dresden war in der Jugend gastronomisch nicht der Nabel der Welt und so begann Jäckel in Tirol seine Kochlehre. In meinem Lehrbetrieb hatte ich die Chance, alle notwendigen Grundlagen zu lernen“, erklärt Jäckel, der in seinem nächsten Schritt in einem der bekanntesten Hotels Österreichs zu arbeiten begann. „In der Küche des Sachers hatte ich den ersten Kontakt zu hochwertigeren, exklusiveren Produkten. Doch obwohl ich dort auch in der Pâtisserie gearbeitet habe, sind Süßspeisen nicht meine große Leidenschaft. Dieses Metier überlasse ich im „Storchen“ lieber anderen“, erzählt Jäckel mit einem Lachen im Gesicht.
Gute Produkte sind die Basis jeder guten Küche
Doch wie sieht es mit den Lebensmitteln aus, die Jäckel in seinem hochdekorierten Restaurant „La Rôtisserie“, dem kulinarischen Aushängeschild des „Storchens“, verarbeitet? Setzt er auf Regionalität oder nutzt der Qualitätsfanatiker das Angebot der ganzen Welt? „Natürlich versucht man immer regionale Produkte zu verarbeiten. Aber man muss bei gewissen Dingen auch ehrlich sein: Fisch gibt es im Zürichsee nicht genügend, um die Restaurants zu versorgen. Oder wenn ich Muscheln verarbeiten möchte, dann muss ich etwa auf hohe Qualität aus Portugal zurückgreifen.“ Und wie es der Zufall möchte, ist gerade heute einer der zahlreichen Lieferungen eingetroffen, die einen Koch schnell neidisch machen können. Frischer Hummer aus der Bretagne wird die nächsten Tage die nationale und internationale Fangemeinde von Jäckel begeistern: „Wir versuchen unseren Gästen das Beste zu bieten und Hummer aus Frankreich gehört mit Sicherheit dazu“. Aber man muss auch in einem anderen Bereich ehrlich sein. Hochwertiges Fleisch, frische Meeresfrüchte oder edle Weine reichen nicht aus, um in der Welt der Spitzengastronomie erfolgreich zu sein. Jäckel: „Um ein oder mehrere Michelin-Sterne oder Gault-Millau-Hauben zu erhalten und auf dem Niveau zu bleiben, benötigt man einige Charaktereigenschaften. Ganz wichtig sind Disziplin, Durhaltevermögen und Talent. Fehlt Letzteres, kann man das auch trotz harter Arbeit nicht wettmachen.“
Man wird ja noch Träume haben dürfen?
Aber genug über die Welt des Genusses philosophiert. Erst am Tisch zeigt sich, ob Jäckel hält, was er verspricht. Und schon die ersten Gänge zeigen, hier wird großes Küchenkino geboten; Taschenkrebs, Kristal Kaviar, grüner Thaicurry und Shiso haben nur zwei Fehler: Sie sind zu schnell aufgegessen und werden in dieser Kombination wohl länger nicht mehr zu bekommen sein. Weiter geht es mit Rotbarbe vom kleinen Boot und XO Sauce, norwegischer Jakobsmuschel, Rettich sowie Dashi und einem großzügig dimensionierten Kalbsbries, zu dem – klassisch angehaucht – eine Trüffelsauce serviert wird. Köstlich, manchmal braucht man Gaumenfreude nicht mehr neu zu erfinden. Zart wie Butter kommt das mit asiatischen Aromen geschmorte Short Rib vom australischen Wagyu Rind auf den Tisch. Und, dass die Kombination von Felchlin Cru Suhum Schokolade (60 Prozent Kakaoanteil), Himbeere, Cashew und Heu vom eigenen Hof Schlattgut ebenso begeistert, braucht man eigentlich nicht mehr erwähnen. Das Resümee des Abends: Ein Küchenoskar für Stefan Jäckel und sein Team ist mehr als verdient. Was wir uns für das nächste Mal noch wünschen würden: Stefan’s Bouillabaise mit Sauce Rouille verkosten zu dürfen. Man wird ja noch Träume haben dürfen, oder?
Restaurant „La Rôtisserie“,
Hotel Storchen
Weinplatz 2
CH-8001 Zurich
Tel.: +41 44 227 27 27
[Fotocredit: Strobel]